Kommentare zur deutschen Übersetzung der WCAG 2.0, Teil 3

Liebe Mitleser,

nun habe ich mir die Abschnitte zu den Prinzipien 1 und 2 durchgelesen. Besonders wichtig bei meinen Anmerkungen ist mir, dass es „Benutzungsschnittstelle“ statt „Benutzeroberfläche“ heißen muss (siehe P1.1).

== Prinzip 1 ==

P1.1 „Bestandteile der Benutzeroberfläche“ – Ich halte den Begriff Benutzeroberfläche nicht für korrekt. Die DIN spricht von einer Benutzungsschnittstelle. (Die DIN hat bspw. einen Arbeitskreis mit dem einprägsamen Namen „NA 023-00-04-05 GAK Gemeinschaftsarbeitskreis NAErg/NIA; Benutzungsschnittstellen“.) Interface mit Oberfläche gleichzusetzen ist gewagt. Der Begriff Benutzeroberfläche mag recht verbreitet sein, das macht ihn aber nicht richtig. 

P1.2 „Siehe Richtlinie 4.1 für zusätzliche Anforderungen an Kontrollelemente und Inhalte, […]“ – Control wurde in der Richtlinie 1.1.1 einmal als Steuerelement und hier als Kontrollelement übersetzt. Dies sollte vereinheitlicht werden.

P1.3 „deskriptive Identifizierung“ – Ist deskriptiv tatsächlich die deutsche Entsprechung von dem, was descriptive meint? Deskriptiv ist der Gegensatz zu normativ. Ich denke, hier ist eher die erklärende, beschreibende, erläuternde Identifizierung gemeint.

P1.4 Die Richtlinie 1.2.3 würde ich zur besseren Lesbarkeit leicht umstellen zu: „Eine Alternative für zeitbasierte Medien oder eine Audiodeskription des aufgezeichneten Videoinhalts wird für synchronisierte Medien bereitgestellt, außer die Medien sind eine Medienalternative für Text und als solche deutlich gekennzeichnet.“ (Das Komma fehlt auch in der nicht-umgestellten Version.)

P1.5 „Live übertragene“ – Live ist ein Adjektiv und muss daher klein geschrieben werden.

P1.6 Richtlinie 1.4 klingt grammatisch falsch, schon im Englischen. Es fehlt der Bezug zum Wort „Trennung“. Soll es auch leichter für den Benutzer sein, den Vorder- und Hintergrund zu unterscheiden? Dann sollte genau das dort stehen. „Machen Sie es Benutzern leichter, Inhalt zu sehen und zu hören sowie den Vorder- und Hintergrund zu unterscheiden.“ Oder wird gar ein kausaler Zusammenhang suggeriert? Indem ich Inhalt leichter wahrnehmen kann, kann ich Vorder- und Hintergrund besser unterscheiden? So, wie die Richtlinie momentan formuliert ist, ob Englisch oder Deutsch, verstehe ich sie nicht.

P1.7 „eine Antwort zu veranlassen“ – response lese ich hier eher als „Reaktion“ oder „Handlung“ denn als Antwort. Ich verstehe es so: Indicating an action beschränkt sich darauf, die Möglichkeit einer Handlung zu zeigen, während prompting a response darauf abzielt, dass der Nutzer tatsächlich handelt.

P1.8 „Wiedergabe anzuhalten oder zu stoppen“ – Anhalten und stoppen kann dasselbe meinen, daher würde ich „pausieren“ verwenden.

P1.9 Bei Richtlinie 1.4.2 frage ich mich, ob die Forderung nach Lautstärkenregulierung implizit die Lautstärke 0 (Ton aus) einbezieht. Ansonsten ist dies nicht als Rückfalllösung geeignet.

P1.10 Die Anmerkung zu Richtlinie 1.4.2 habe ich erst nach mehrmaligen Lesen verstanden. Der Satz ist einfach zu lang. Außerdem enthält er einen Grammatikfehler („einer Benutzers“). Mein Vorschlag: „Jeglicher Inhalt, der dieses Erfolgskriterium nicht erfüllt, kann die Möglichkeit eines Benutzers beeinträchtigen, die ganze Seite zu nutzen. Daher muss jeglicher Inhalt auf einer Webseite (egal ob er dazu benutzt wird, andere Erfolgskriterien zu erfüllen oder nicht) dieses Erfolgskriterium erfüllen.“ Achtung! Diese Formulierung tritt als Anmerkung in den gesamten WCAG öfter auf.

P1.11 Die Erklärung für Nebensächlich in Richtlinie 1.4.3 (siehe auch 1.4.6) liest sich ebenfalls sehr sperrig. Vorschlag: „Text oder Bilder eines Textes haben keine Kontrastanforderung, wenn sie Teil eines inaktiven Bestandteils der Benutzeroberfläche, rein dekorativ oder für niemanden sichtbar sind oder Teil eines Bildes sind, welches signifikanten anderen visuellen Inhalt enthält.“ Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob ein Objekt Anforderung „haben“ kann. An ein Objekt können Anforderungen gestellt werden. Dann würde es lauten: „An Text oder Bilder eines Textes werden keine Kontrastanforderungen gestellt, wenn …“ Entsprechend müsste dann der Text bei Wortbildmarken verändert werden.

P1.12 Ich muss zugeben, Richtlinie 1.4.5 habe ich erst nach einiger Zeit verstanden. Es zielt wohl darauf ab, dass die Benutzeragenten Text in hübschen Formen rendern können (bspw. mit SVG) und daher keine Pixel-Bilder benötigt werden. „Wenn die benutzten Techniken die visuelle Präsentation ausführen können“ will dies sicher ausdrücken, klingt aber sehr ungewöhnlich. Wäre es hier sinnvoll in Klammern das Wort „Rendern“ ergänzend zu setzen?

P1.13 In der Erklärung zu Anpassbar sollte das Objekt des Satzes nicht am Ende stehen. Vorschlag: „Das Bild eines Textes kann visuell an die Anforderungen des Benutzers angepasst werden“

P1.14 Die Erklärung der Abkürzung CJK enthält den Rechtschreibfehler „kroeanisch“.

P1.15 Es wird nicht erklärt, was Glyphen sind. Das dürfte dem Durchschnittsleser der WCAG nicht bekannt sein.


== Prinzip 2 ==

P2.1 In der Richtlinie 2.1.1 würde ich bei der ersten Anmerkung ein zweites „auf“ spendieren. Vorschlag: „Diese Ausnahme bezieht sich auf die zugrunde liegende Funktion und nicht auf die Eingabetechnik.“

P2.2 Der durch Semikolon abgetrennte Satz der Richtlinie 2.1.2 sollte in zwei Sätze aufgeteilt werden.

P2.3 „nicht modifizierte Pfeil- oder Tabulatortasten“ – Das verstehe ich. Es sollen keine Alt- oder Strg-Tasten (Hilfstasten) zusätzlich gedrückt werden. Aber wird das aus der Formulierung deutlich? Vorschlag: „Wenn man dazu mehr als Pfeil- oder Tabulatortasten ohne Hilfstasten oder andere übliche Ausstiegsmethoden benutzen muss, …“

P2.4 „gilt mindestens eins der Folgenden“ – Der folgenden Was? One of the following lässt sich meines Wissens nach nicht 1:1 übersetzen. „mindestens einer der folgenden Punkte“ wäre eine Alternative.

P2.5 In Richtlinie 2.2.2 werden pause mit „anhalten“ und stop mit „beenden“ übersetzt. Das ist nicht mit der Übersetzung in Richtline 1.4.2 konsistent (pause or stop/anhalten oder stoppen). Analog zu meinem Vorschlag in P1.8 würde ich pause mit „pausieren“ und stop mit „stoppen“ übersetzen.

P2.6 „außer die Bewegung, das Blinken oder Scrollen ist Teil einer Handlung“ – Nur eine Kleinigkeit: Auch dem Scrollen einen Artikel spendieren.

P2.7 In Richtlinie 2.2.2 taucht zum ersten – und anscheinend einzigen — Mal die Bezeichnung Stream auf. Diese wird aber nicht erklärt oder ist nicht verlinkt.

P2.8 In Richtlinie 2.2.4 fehlt ein Komma hinter „mit Ausnahme von Unterbrechungen“.

P2.9 Authenticating würde ich nicht mit „Authentifikation“ sondern mit „Authentifizierung“ übersetzen. (Es gibt einen kleinen Bedeutungsunterschied.) Das Adjektiv „authentisierte“ ist dementsprechend zu ersetzen mit „authentifizierte“.


Mit besten Grüßen
Maria Schiewe

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Dipl.-Inf. (FH) Maria Schiewe
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Received on Thursday, 3 September 2009 09:07:04 UTC